Bergwärts – die Unternehmung
Inspiriert durch ein altes Bergsteigerbuch in dem geschrieben stand wie die Alpinisten früherer Zeiten mit dem Rad in die Berge fuhren, entstand die Idee zur Bergwärts Unternehmung. Zu Beginn stand jedoch nur das Ziel der Tour fest. Mit 4810m über dem Meer ist der Mont Blanc, hoch über dem Bergdorf Chamonix, der höchste Berg Mitteleuropas und somit des gesamten Alpenraums. Dort sollte es mit Skiern hinauf gehen. Doch wo sollte ich starten? Mein erster Gedanke galt dem Feldberg. Mein Heimatberg, und der höchste Berg der Schwarzwaldes, sollte die Tour eröffnen. Mit dem Rad von den sanften Schwarzwaldbergen in die hochalpine Bergwelt von Chamonix und mit den Skiern zum Gipfel des Mont Blanc.
Dieser Plan entstand vor drei Jahren und seither hat sich wenig, jedoch etwas Ausschlaggebendes verändert. Warum nicht am tiefsten Punkt Europas starten und somit während der gesamten Tour tatsächlich ausschließlich „bergwärts“ unterwegs sein? Eine weitere Idee spuckte in meinem Kopf herum. Ein Video von Gleitschirmfliegern, die vom Mont Blanc starteten und nach wenigen Minuten wieder im Tal landeten, begeisterte mich. Der Gleitschirm musste also auch ins Reisegepäck und nach Gesprächen mit guten Bergfreunden und vielen Abenden des Grübelns, entstand der Plan zu der Unternehmung wie sie dieses Frühjahr nun tatsächlich, und zu meiner großen Freude, stattfand:
Vom tiefsten Punkt Europas (Nieuwerkerk aan den Ijssel -6,74m) zum höchsten Punkt Mitteleuropas (Mont Blanc 4810m). 1300 km aus eigener Kraft mit Fahrrad, zu Fuß, mit Skiern bis zum Gipfel des Mont Blanc und von dort wieder mit dem Gleitschirm zurück ins Tal. Dass das gesamte Material von Anfang an mit dabei sein muss war klar, wie es jedoch transportiert werden sollte, nicht. Ein Hänger von Tout Terrain, drei Ortliebtaschen und ein Salsa Tourenrad vom followmestore später, waren die Sachen verpackt und ich trat die Reise nach Holland an. Trotz des motorisierten Untersatzes wurde mir schnell klar, dass es ein ganz schönes Stück ist bis kurz vor Den Haag, wo die Reise startete. Vielen Dank an meine Mum für die Fahrt in den Norden!
Zwei Tage später begann eine Unternehmung von der ich lange geträumt hatte. Ich rollte tatsächlich am tiefsten Punkt Europas los um irgendwann in Chamonix anzukommen. Hauptsächlich jedoch um unterwegs viele tolle Menschen zu treffen und Gegenden zu sehen, die man sonst nicht sieht. Denn welchen Grund hat man schon aus dem Schwarzwald Richtung Norden zu fahren, außer man ist verliebt oder will nach Skandinavien… Wer sich den tiefsten Punkt Europas als imposanten Platz mit vielen Schaulustigen vorstellt, der liegt leider falsch. Zwischen Autobahn und Schrottplatz steht ein kleines Schild welches markiert, dass es in Europa tiefer nicht geht. Das war‘s! Deshalb fiel der Aufenthalt an diesem monumentalen Ort auch eher kurz aus. Ab in den Sattel und los. Die ersten Meter waren super und es lief ganz von alleine. Hier im flachen Holland, auf perfekten Radwegen muss man selbst mit 50 kg Reisegewicht kaum treten um vorwärts zu kommen – dachte ich! Ein paar Kilometer weiter pfiff mir ein kräftiger Gegenwind ins Gesicht und ich musste einsehen, dass die Windmühlen um mich herum nicht der Dekoration, sondern dem windunterstützten mahlen von Getreide dienten. Doch der weite Blick den man aus den Bergen nicht gewohnt ist, und die sehr wohl gewohnt freundliche Art der Niederländer, machten jeden Tritt gegen den Wind nur halb so schwer.
Es ging also erstmal durch die Niederlande, zwei Tage auf dem Rad durch das Fahrradland Europas. Diese Tatsache war nicht zu übersehen. Egal ob morgens mit hunderten anderen Radlern im Berufsverkehr oder auf perfekt angelegten Radwegen, machen die Niederländer ihrem Ruf alle Ehre.
Das ist verständlich, denn die flache Landschaft ändert sich wenig und es ging Kilometer weit vorbei an Kartoffelfeldern und Windmühlen. Doch es war keineswegs eintönig. Es war super schön und ich genoss es, mal etwas weiter schauen zu können als zu Hause. Die erste Nacht verbrachte ich bei guten Freunden in Tilburg und durfte dort, das beste Abendessen der gesamten Reise mit wundervollen Menschen teilen.
Weiter ging es Richtung Belgien. Den Grenzübertritt bemerkte ich erst drei Kilometer später. Also nichts wie zurück um den ersten Grenzübergang der Tour festzuhalten. Da stand ich also direkt auf der Grenze. Kein Schild, kein Zöllner, kein nichts! Schade, aber eigentlich eine sehr schöne Entwicklung, von der sich einige Staaten diese Erde eine Scheibe abschneiden könnten. Mit einem Grinsen im Gesicht fuhr ich weiter nun auf belgischen Radwegen, die den niederländischen um nichts nachstanden. Unzählige Rennradfahrer begleiteten mich auf meinem Weg und zeigten mir, dass der ehemalige Tour de France Gewinner Eddie Mercx aus einem rennradbegeisterten Land kommen musste. Warum dieser Mann fünf Mal die Tour gewinnen konnte wurde mir am nächsten Tag eindrücklich vor Augen geführt. Die Ardennen sind zwar nur ein kleines Gebirge auf der Landkarte, mit Steigungen von über 13 Prozent über mehr als 10 Kilometer, stellten sie mich mit meinem 50 kg Gespann jedoch vor kleinere und größere Probleme. Nicht nur die Oberschenkel sondern auch die Kette wurde etwas stärker beansprucht als bisher und somit verabschiedete sich diese an einer der Steigungen. 30 Minuten später war ein neues Kettenschloss gefunden und die Reise konnte weiter gehen. Um 18 Uhr war ich noch 40 Kilometer von Luxemburg, meinem heutigen Tagesziel entfernt und die Motivation ging gegen null. Da half nur eines. Drei Nutella Brote rein und los. Zwei Kilometer hinter der Grenze zu Luxemburg schlug ich mein Zelt auf und schlief die folgende Nacht wie ein Stein.
Am nächsten Morgen ging es weiter. Diesmal über die von Norden nach Süden durch Luxemburg verlaufende Bundesstrasse N7. Blöd nur, dass diese nach 60 Kilometern zur Autobahn wird und man die Schilder entweder nicht sieht, oder sie schlicht nicht existierten. Die aufgebrachten Autofahrer übernahmen den Job der Schilder jedoch gerne. Wenn auch mit etwas fragwürdigen Handzeichen. In der Stadt Luxemburg angekommen, verfuhr ich mich dort für zwei Stunden und war schließlich einfach nur froh diese Stadt fluchtartig Richtung Deutschland verlassen zu können. Mein nächstes Ziel war also Deutschland, welches ich via Schengen (Schengener Abkommen 1985) und somit über die Mosel erreichen wollte. Der Plan ging auf und nach einer kurzen Kamera Ladeaktion im Sandsifffer Stübchen bei sehr netten Leuten, war die mittlerweile routinierte Abendzermonie angesagt. Zelt aufbauen, Ravioli kochen, schlafen.
Zurück in Deutschland lief es ganz locker an der Saar entlang. An diesem Tag traf ich auf meinem Weg vorbei an Saarbrücken, Saarlouis und Saargemünd viele nette Menschen und hatte interessante Gespräche, bevor ich abends in dem französischen Städtchen Saverne meine Beine in der Jugendherberge hochlegen konnte. Duschen und Kamera laden war heute angesagt. Des Weiteren musste ich mich um mein wundes Gesäß kümmern, welches durch im Schnitt 12 Stunden radeln pro Tag etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde. Noch am Abend fällte ich die Entscheidung über den Schwarzwald zu fahren und somit die vor drei Jahren geplante Tour, in die aktuelle einzubauen. Bis nach Hause und zum Feldberg, waren es von hier 189 km, welche mit dem Schauinsland die erste richtig grosse Hürde am Tagesende, beinhalteten. Sollte das an einem Tag möglich sein? Ein Versuch war es wert! Bis Straßburg und Kehl lief es super. Immer am Rhein-Marne Kanal entlang. Am Rhein geht’s sicher noch schneller, dachte ich! Doch hier auf der deutschen Seite des Rheins sind die Wege etwas naturverbundener als in Frankreich. Waldboden und viele Kurven entlang des mäandrierenden Altrheins. Sehr schön, jedoch nicht besonders schnell… Trotz des botanischen Ausflugs, kam ich recht schnell voran und trudelte nachmittags um fünf Uhr in Freiburg ein.
Es tat gut „zu Hause“ anzukommen und ich radelte fröhlich durch die Stadt, in der ich studiert habe. Etwas später saß ich dann bei einer sehr guten Freundin in der Küche und wir schauten bei einer Tasse Tee aus dem Fenster, in den ersten Regen meiner Reise. Regen? Naja, es schüttete aus Eimern und ehrlich gesagt waren weder Kopf, noch Beine oder irgendetwas anderes an mir motiviert heute noch aufs Rad zu steigen. Doch das Tagesziel lag weitere 35 km und 800 hm entfernt und da wollte ich heute noch hin. Um neun Uhr abends stand ich völlig durchnässt am Fuße des Schauinslands und begann im ersten Gang zu treten. Mit dem Rennradbenötigt man circa eine Stunde bis nach oben. Zweieinhalb Stunden benötigte ich heute…
Nebel, Regen, Dunkelheit. Und als wäre das nicht genug, fiel mir meine neu erworbene Kamera zu Boden. Der absolute Tiefpunkt der bisherigen Reise! Nach 14 Stunden im Sattel fehlte mir zu Hause im Bett jedoch jegliche Energie mich darüber zu ärgern.
Für den nächsten Tag war weiterhin Regen angesagt und ich entschied mich nach 855 km in 6 Tagen, einen Tag Pause einzulegen. Gut schlafen und viel Essen war also die Devise bevor es am nächsten Tag mit dem zweiten und dem ursprünglichen Teil meiner Reise weiter ging. Vom höchsten im Schwarzwald zum höchsten Mitteleuropas.
Vor mir lag das Wiesental, später die Schweiz mit der von unzähligen Autofahrten bekannten Route bis an den Genfer See. Der Grenzübergang in die Schweiz war wie immer ein schönes Erlebnis, diesmal vielleicht noch etwas schöner, da ich gemütlich mit dem Fahrrad über den Rhein rollen konnte. Sofort hatte ich dieses Wohlfühlgefühl, wie ich es immer habe, wenn ich in der Schweiz bin. Mir gefällt es hier einfach, egal was der Franken macht!
Die erste Etappe führte mich durch den Jura bis kurz vor Solothurn. Dieser Tag war der landschaftlich schönste der bisherigen Reise und mit einem wunderschönen Sonnuntergang verabschiedete ich mich ins Land der Träume. Langsam kam ich meinem Ziel immer näher und es lief eigentlich wie von alleine. Wunderschöne Schweizer Örtchen, tolle Seen und kurz vor meinem nächsten Tagesziel schimmerte es plötzlich weiss am Horizont. Die Alpen! Jetzt gab es kein Halten mehr. Über glücklich, dass die letzten Wochen alles so schön war und mit dem Schnee am Horizont vor Augen, drehten sich die Kurbeln am Rad einen Ticken schneller.
Drei Tage nachdem ich zu Hause gestartet war, lag mir der Genfer See zu Füßen, beziehungsweise zu Rädern. Durch die Weinberge hinunter in das mediterrane Klima zu flitzen und dabei die Dents du Midi zu bewundern machte grosse Freude und dieses Erlebnis gab Kraft für die letzten Kilometer des Tages nach Martigny.
Dank dem Tipp eines Freundes fand ich hier unter den Kletterfelsen einen perfekten Schlafplatz und was nun kam war die heutige Krönung und gleichzeitig die beste Vorbereitung für den finalen Tag im Sattel. Carsten brachte mir Kirschen und Rinderfilet vorbei und wir hatten einen schönen Abend, der mit einer für mich kulinarischen Explosion endete. Die letzten Wochen waren geprägt von Bananen, Riegeln, Ravioli und jedem Tag einem Glas Nutella. Rinderfilet hingegen war wie Weihnachten und Geburtstag auf einmal.
Frisch ausgeruht und gut gestärkt sollte die Entscheidung, ob ich es tatsächlich mit meinem Gefährt bis nach Chamonix schaffe, heute am Forclaz Pass fallen. 16 km und 1051 Höhenmeter lagen vor mir. Als ich bereits auf den ersten Metern in den kleinsten Gang schaltete, hatte ich ein leicht mulmiges Gefühl. Es rollte langsam, sehr langsam, aber es rollte! Durch die Weinberge immer höher und höher über Martigny. Immer öfter dachte ich nun an die nächste Etappe meiner Reise – die Besteigung des Mont Blanc. Das Wetter wurde in den letzten Tagen immer eher schlecht vorhergesagt und manchmal zweifelte ich, ob es überhaupt möglich sein wird auf den Gipfel aufzusteigen. Aber zuerst musste ich auf den Forclaz Pass, der Rest würde sich ergeben. Viele Kehren und Pedalumdrehungen später war es geschafft und ich stand unbeschreiblich glücklich auf 1527 m über dem Meer. Jetzt geht’s nur noch runter, dann ist es geschafft.
So zumindest in meiner naiven Theorie. Nach einer rasanten Abfahrt mit tollen Blicken auf den Glacier du Trient, stand kurz nach dem Grenzübergang zu Frankreich plötzlich ein Schild an der Strasse: „Col des Montets ouvert“. Was bitte? Was für ein Col?
So ist es eben, wenn man immer nur mit dem Auto zu den Bergen fährt, da bemerkt man den einen oder anderen Pass gar nicht so richtig. Also, wieder runter schalten und treten, treten, treten. Plötzlich hält ein blauer Kleinwagen mit drei ziemlich attraktiven Französinnen neben mir und durch das geöffnete Fenster kommt die Frage, ob sie ein Foto mit mir machen könnten? Äh, ja klar. Und dann kam das Beste!
Nach dem Foto und einer kurzen, netten Unterhaltung bekam ich 500g weissen Nougat geschenkt. Das war wie im Himmel und ohne diese Wegzehrung hätte ich es wohl nicht, oder nur sehr viel schwerer auf den Col des Montets geschafft. Denn oben war das Nougat leer und mein Bauch voll… Ein Steinbock empfing mich oben auf dem Pass und jetzt war ich sicher, es würde nur noch bergab gehen. Schmunzeln, Jubeln, innehalten, genießen und einfach nur eine riesengrosse Freude haben. Das waren die Gefühle bei der Abfahrt. Nach 11 Tagen und 1620 km im Sattel war ich tatsächlich angekommen. Jipiieee!
Allerdings interessierte das in Chamonix niemanden! So viele verschiedene Sportarten und Bergsportler, die alle eine Geschichte zu erzählen haben. Da kam ich mir fast etwas albern vor mit meinen Skiern auf dem Hänger.
Nun ging alles ganz schnell, ab ins Bergführerbüro und das Wetter für die nächsten Tage checken. “Ihr habt noch die nächsten beiden Tage, dann wird’s schlecht!“. Alles klar, Hütte reservieren, Beni anrufen, Essen einkaufen und versuchen sich ein wenig auszuruhen. Eigentlich hatte ich mit zwei Tagen Regeneration und Akklimatisierung gerechnet. Das fiel nun aus. In einer kleinen Bergsteigerunterkunft stellte ich meine Sachen ab und gönnte mir eine Pizza im Ort. Beni wollte am nächsten Morgen direkt aus Saas-Fee kommen und mit mir zum Gipfel aufbrechen. Um neun Uhr war ich im Bett und ziemlich nervös, ob denn alles klappen würde.
Um Punkt neun des nächsten Morgens stand Beni auf dem Parkplatz und wir besprachen und begutachteten noch einmal das Wetter. Es sah gut aus. Nur die 80 km/h Wind machten uns etwas Sorgen. Für mich bedeutete diese Information, dass der Gleitschirm wohl nicht zum Einsatz kommen wird. Denn bei 60 km/h maximaler Vorwärtsfahrt, fliegt man bei 80 km/h Gegenwind rückwärts…
Zugegeben, das war ein kleiner Rückschlag, aber auch etwas Positives: Ich sparte mir fünf Kilogramm Gewicht im Rucksack. Wir packten unsere Sachen, frühstückten ein Croissant amandes und waren bereit für den Aufstieg zur Grands Mulets Hütte. Die Hütte liegt auf 3051 m und wird zuerst zu Fuss und später mit Tourenskiern durch eine atemberaubende Gletscherlandschaft erreicht.
Bei strahlendem Sonnenschein kletterten wir die letzten Meter auf die Hütte, die auf einem Felszacken gegenüber der Aiguille du Midi thront. Beni und ich waren vor 12 Jahren zum letzten Mal gemeinsam in den Bergen. Doch es war, als ob wir erst letzte Woche unterwegs gewesen wären. Der perfekte Bergpartner für diese Unternehmung! Um 18 Uhr gab es Abendessen und um sieben waren wir im Bett. Ich machte kein Auge zu. Nicht weil ich nicht müde war oder jemand schnarchte, nein, ich war einfach unglaublich aufgeregt, ob mein Traum wirklich morgen in Erfüllung gehen würde. Es wäre fast zu perfekt, dachte ich mir.
Um halb zwei in der Nacht zogen wir uns an, frühstückten eine Kleinigkeit und schauten aus dem Fenster. Sternenklar, ich konnte es kaum glauben! So ein Glück nach zwei Wochen im Sattel, genau zum richtigen Zeitpunkt hier zu sein. Circa 50 Bergsteiger wollten heute auf den Gipfel, doch es verteilte sich sehr gut und wir konnten in unserem Tempo aufsteigen. Dieses war nicht das schnellste, aber später sollten wir davon profitieren. Zu Beginn mit Stirnlampe und Fellen, dann mit Steigeisen im ersten Morgenlicht erkämpften wir uns Meter für Meter, bis es bald hell wurde und wir kurz vor dem Vallot Biwak 500hm unterhalb des Gipfels standen. Vor uns waren ungefähr 20 Bergsteiger die sich aufgrund des sehr starken Windes alle im Biwak aufhielten. Auch wir nutzten den Unterschlupf um uns für den weiteren Aufstieg zu stärken. Viele der anderen Bergsteiger sahen nicht mehr wirklich fit aus. Sie hatten sich mit einem zu hohen Tempo am Morgen aufgearbeitet und waren jetzt am Ende ihrer Kräfte.
Nach kurzer Pause machten wir uns auf den Weg zum Gipfel. Der Wind peitschte uns ins Gesicht, langsam bemerkten wir die Höhe und ich die Müdigkeit. Bei jedem dritten Schritt fielen mir die Augen zu. Doch einschlafen war nicht drin, nicht so kurz vor dem Ziel. Ich biss auf die Zähne und bald war die Müdigkeit überwunden. Der Gipfel kam näher und der Wind wurde immer stärker. Wir entschieden uns am Grat noch einmal ans Seil zu gehen.
Auf den letzten 200 Höhenmetern mussten wir noch einige Male pausieren, wir kamen jedoch erstaunlich fit am Gipfel an und die Freude war überwältigend. Wir hatten es geschafft und für mich ging tatsächlich ein Traum in Erfüllung, den ich schon sehr lange verwirklichen wollte. Und das nächste Mal sicher auch noch mit dem Schirm. Doch das spielte jetzt überhaupt keine Rolle, denn der Wind hätte sowohl durch seine Stärke, als auch durch seine Richtung keinen Start zugelassen. Ich war einfach nur glücklich, so glücklich wie schon lange nicht mehr. Mit einem guten Freund die Aussicht vom höchsten Berg der Alpen zu genießen ist einzigartig.
Was nun folgte war die Belohnung für die ganze Schinderei in Holland gegen den Wind, an den Steigungen der belgischen Ardennen, auf den tausend Umwegen in Städten, in dem Regen am Schauinsland und an den letzten Pässen vor Chamonix. Die Abfahrt über die Nordseite des Mont Blanc war atemberaubend schön. War der Schnee oben noch windgepresst, wurde er bald pulvrig und wir zogen unsere Spuren vorbei an hohen Seracs und tiefen Gletscherspalten, bis hinunter auf den Bossons Gletscher. Ein perfekter Saisonabschluss einer wunderschönen Saison 2014/2015
Zurück ins Tal ging es unterhalb der Aiguille du Midi Nordwand zum Plan de l‘Aiguille wo wir die Bahn ins Tal nahmen. Unten angekommen begann es am Himmel schwarz zu werden und bald darauf zu regnen. Was für ein Glück kann man haben! Danke an alle die mir geholfen haben diese tolle Erfahrung machen zu dürfen und natürlich an meine Ausstatter.